#16 Stadt anders denken: Wie ein besetztes Haus Rom verändert
09.06.2025 13 min
Zusammenfassung & Show Notes
Traces of Light – Spintime Labs: Ein Haus für viele, eine Idee für alle
Ein Podcast von Elsbeth Horbaty
Ein Podcast von Elsbeth Horbaty
Auf der Suche nach Lichtspuren in Rom
In dieser Folge begleitet uns Elsbeth Horbaty in ein außergewöhnliches Gebäude in Rom, das mehr ist als nur ein Dach über dem Kopf: Spintime Labs – ein ehemals leerstehendes Verwaltungsgebäude, heute ein besetztes soziales Zentrum, Wohnhaus, Theater, Treffpunkt und politisches Statement.
Eine aktuelle Entscheidung der italienischen Regierung zur Verschärfung der Strafen für Hausbesetzungen macht das Thema umso brisanter.
Vom Leerstand zur Lebenswelt
Vom Leerstand zur Lebenswelt
Mitten in einem Rom, das an über 300 Baustellen gleichzeitig werkelt, steht ein Ort still – und lebt gerade deshalb besonders intensiv:
Spintime Labs in der Via Santa Croce. Hier wohnen über 450 Menschen aus 27 Nationen. Statt Einzelwohnungen gibt es Gemeinschaftsküchen, Duschen, Werkstätten und offene Räume für Kultur und Begegnung.
Spintime Labs in der Via Santa Croce. Hier wohnen über 450 Menschen aus 27 Nationen. Statt Einzelwohnungen gibt es Gemeinschaftsküchen, Duschen, Werkstätten und offene Räume für Kultur und Begegnung.
Das „No-Working“ und die Kraft des Kollektivs
Elsbeth trifft Giulia Fiocca, Architektin, Aktivistin und Teil des Stalker-Kollektivs, das das Projekt mitinitiiert hat. In ihrem „No-Working“-Büro erklärt sie, warum Arbeit mehr sein kann als Laptop und Deadline – und wie ein Archiv, Bücher, Gespräche und gelebte Gemeinschaft neue Formen des Zusammenlebens ermöglichen.
Stadtgestaltung von unten
Spintime ist nicht einfach ein Ort – es ist ein Labor für eine andere Stadt. Hier wird ausprobiert, wie Wohnen solidarisch, kollektiv und menschenwürdig gelingen kann.
Trotz rechtlicher Unsicherheiten bleibt der Wunsch bestehen, aktiv an der Zukunft der Stadt mitzuwirken – auch über das Gebäude hinaus.
Trotz rechtlicher Unsicherheiten bleibt der Wunsch bestehen, aktiv an der Zukunft der Stadt mitzuwirken – auch über das Gebäude hinaus.
Internationale Sichtbarkeit
Das Projekt findet nicht nur lokal Beachtung:
Auf der Architekturbiennale in Venedig wird Spintime Labs im österreichischen Pavillon als Beispiel für selbstorganisierten sozialen Wohnbau präsentiert. Gemeinsam mit Architekt:innen aus Wien wurde ein Buchprojekt realisiert – eine Brücke zwischen Basisbewegung und Fachwelt.
Auf der Architekturbiennale in Venedig wird Spintime Labs im österreichischen Pavillon als Beispiel für selbstorganisierten sozialen Wohnbau präsentiert. Gemeinsam mit Architekt:innen aus Wien wurde ein Buchprojekt realisiert – eine Brücke zwischen Basisbewegung und Fachwelt.
Was bleibt? Was kommt?
Spintime Labs wirft große Fragen auf:
- Wie gehen wir mit leerstehendem Raum in Städten um?
- Wie organisieren Menschen sich selbst, wenn das System versagt?
- Und was bedeutet ein Zuhause wirklich?
Diese Episode zeigt, dass es keine einfachen Antworten gibt. Aber: Spintime ist ein Anfang. Eine Lichtspur.
Infos & Links
https://commissari.gov.it/giubileo2025/comunicazione/programmi-giubilari/programma-caput-mundi/ Caput Mundi Rome
„Traces of Light“ ist ein Podcast von Elsbeth Horbaty, der Menschen, Orte und Geschichten porträtiert, die in dunklen Zeiten Hoffnung und Orientierung geben.
Transkript
Willkommen bei Traces of Light. Elspeth Horbati nimmt dich mit auf die Suche nach Menschen und Gemeinschaften, die in diesen schwierigen Zeiten Mut machen.
Zufälle begleiten mich oft so oft, dass ich sie mittlerweile aufschreibe. Gestern zum Beispiel, ich arbeitete an einem Podcast über ein besetztes Haus in Rom, wo ich für drei Monate bei einer Freundin wohne. Genau heute beschloss die italienische Regierung ein neues Sicherheitsdekret, das auch Hausbesetzungen härter bestrafen soll. Bis zu zwei Jahre Gefängnis.
Plötzlich wurde mir klar, weshalb gestern niemand der Bewohnerin mit mir sprechen wollte. Eine Architektin, die ihr Büro im besetzten Haus hat, eröffnet mir diese Möglichkeit, grundlegende Fragen nach Wohnen in Würde zu stellen. Auch das ist für mich ein Teil meiner Suche nach Lichtspuren. Zu zeigen, dass gesellschaftliche Lösungen vielfach mit dem Zuhören beginnen. (Baulärm)An allen Ecken und Enden wird in Rom gebohrt und gehämmert, renoviert und umgebaut, angeblich an über 300 Baustellen. Ein Grund, weshalb ich vielleicht die grossen Plakaten an diesen Baustellen zuerst falsch verstanden hatte. Caputt, Mundi!
So, beim rasch vorbeigehen, habe ich das verstanden als kaputte Welt. Naja, dachte ich, das wissen wir ja bereits auch alle. Aber weit gefehlt, Caputtmundi steht für Haupt - oder Hauptstadt der Welt. Ein Begriff, der seit dem Mittelalter für Rom angewandt wird und heute für ein umfangreiches Entwicklungsprojekt der Stadt Rom steht. Auf der Strasse der Via Santa Croce in Rom hört man keine Bauarbeiten. Hier wird nichts von der Stadt renoviert.
Ich stehe vor einem riesigen Gebäude, zehn Stockwerke, 21 '000 Quadratmeter. Früher war hier das Gebäude der Sozialversicherung. Heute ist es etwas ganz anderes. Für mehr als 150 Familien aus 27 Nationen ist es ein Zuhause. Es gibt auf jedem Stock Gemeinschaftsküchen, Gemeinschaftsduschen, die ehemaligen Büros wurden auf einfache Art und Weise als Wohnräume umgebaut und mittendrin für alle Bewohner von Rom zugänglich. Ein Theater, eine Restaurantwerkstätte, Beratungsbüro, Räume für Kinder, Kultur und Begegnungen. Dieses Haus ist nicht einfach ein Ort, es ist eine Idee, eine Art Labor, in dem Gesellschaft neu ausprobiert wird.
Deshalb steht in grossen Buchstaben der Name SPIN TIME LAB über dem Eingang. Ich wollte etwas mehr wissen und fand Julia Fiocca, die hier im Untergeschoss ihr Büro eingerichtet hat. Sie ist Architektin, Aktivistin und ein Teil der SPIN TIME Community. Wir sprechen in ihrem Büro, das sie nicht Coworking, sondern No -Working -Space nennt.
Hier sind wir in No -Working. Willkommen! Das ist ein Raum, das von Stalker -Kollektiven und anderen Menschen im Jahr 2016 geöffnet wurde. Es ist ein Ort der Möglichkeit, ein Ort, wo man die Menschen sammelt, die hier nur ein paar Mal sind, die hier leben.
und versuchen, Kunst und die Art, zusammen zu sein, zu einer Transformation zu bringen. In der sozialen, kulturellen und politischen Transformation. Es ist ein Ort, wo wir die Leute einigen wollen, um einen Moment zusammen zu haben. Es ist ein Ort, wo wir lieben, einen konvivierten Moment zu haben. Die Idee von No Working ist, weil in der Kooperation jeder von uns vor seinem eigenen Laptop ist. Hier versuchen wir nicht, einen Laptop zu haben, sondern einen Tisch, viele Bücher, um zusammen zu sein. Dann haben wir auch die Archive von mehr als 30 Jahren Stalker -Aktivitäten in Rom und weltweit.
Es ist also ein Ort, wo die Menschen hierherkommen und die Geschichte, die Erinnerung einer Praxis besuchen. Giulia Fioccia spricht von Stalker – das war eine Bewegung von Stadtforschenden, Künstler:innen und Aktivist:innen, die sich verlassene Räume der Stadt neu angeeignet haben.
So wie hier: Spin Time entstand 2013 aus einer Besetzung – weil Familien obdachlos waren. Heute leben hier rund 450 Menschen. Die Büro Stalkter sind seit 2020 in diesem besetzen Haus. Hier leben rund 450 Menschen. Die Büro von Stoker sind seit 2020 in diesem besetzten Haus.
mit der Idee, zwei Stockwerke zu öffnen, minus eins und minus zwei, zu den sozialen und kulturellen Aktivitäten der Nachbarschaft und der Stadt. Als Stalker haben wir in einer Art und Weise einen bestimmten Moment vorgelegt, weil wir heute einen Ort der Zukunft erkennenDi sprachst von Utopie. Eine echte Utopie, etwas, das wir zusammen wirklich kreieren. Und ein Ort, wo wir als Künstler, Aktivisten, aber auch als Inhabitanten der Nachbarkeit wirklich glauben, wo der Ort sein soll. In einer Art haben wir die Gemeinde Spintime willkommen.
Wir haben in diesem Raum ca. 300 m² im Untergrund, im Minus 1. Und jetzt, seitdem, ist es ein Ort geworden, wo wir versuchen, die Hospitalität zu beherrschen. Wir invitingen die Leute, das Raum zu benutzen. Und die Idee ist, dass es ein Raum der Möglichkeit ist, ein Raum der Begegnung zwischen den Menschen, die in Santa Croce leben, und den Menschen, die aus der ganzen Welt oder nur neben der Tür kommen. Also, was tut die Stadt? Sind sie unterstützt? Willen sie dich ausziehen? Wie muss es mit der Reaktion sein? Es ist ziemlich kompliziert. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, das von Menschen, die aus dem Ausland kommen, zu verstehen. Aber seitdem wir falsch sind, haben wir nicht genug soziales Wohnraum. Wir haben keinen Platz für Kulturelle Aktivitäten.
All over the time there is a way in which people organize themselves and they occupy space, which are abandoned. We have a lot of abandoned space. So Spintime or Santa Croce is one of these, about 80 different squat realities we have in Rome. In Rom leben etwa siebentausend Leute in einem Squat, okay, also ist der Ort komplett legal. Es gibt ein Grundstück, das gehört einer Bank, soweit ich weiß, einer Investmentbank, aber wir sagen, dass es eigentlich eine besetzte Immobilie ist, ein legaler Ort, aber es ist eine Möglichkeit, einen verlassenen Ort, ein verlassenes Gebäude zu nutzen und 450 Menschen ein Zuhause zu geben.
Aus 26 verschiedenen Sprachen, Ländern und Nationen. Es kommt also darauf an, aus welcher Perspektive man diese Realität betrachtet. Und dann gibt es eine offene Beziehung zur Verwaltung, weil vor zwei Jahren der Bürgermeister kam und sagte, er wolle das Gebäude kaufen und renovieren, um es zu Wohnungen umzubauen, okay, aber im Moment scheint diese Beziehung unterbrochen zu sein, also warten wir noch, aber das würde bedeuten, dass die Menschen, die derzeit dort leben, vorübergehend ausziehen müssten. Und dann könnten sie entscheiden, ob sie zurückkommen wollen oder nicht. Das ist in einer anderen besetzten Wohnung in Porto Fluviale passiert. Es war eine ehemalige Militärkaserne
die 15 Jahre lang besetzt war. Dann wurde durch eine Vereinbarung, an der auch die Universität Roma III beteiligt war, mit der Verwaltung ein Projekt zur Renovierung des Gebäudes gestartet. Und jetzt können die Familien, die Leute, die vorübergehend in einer anderen Sozialwohnung leben, entscheiden, ob sie zurückkommen oder in einer Sozialwohnung bleiben wollen. Das Ziel von Spin Time Labs: ein: Teil der Stadt sein – und mitgestalten. Jeden Monat treffen sich soziale und bauliche Forscher zu diesem Thema im Haus und gestalten die Zukunft mit, auch durch Initiativen die weit über das Gebäude hinaus gehen.
Doch nichts ist sicher hier, die rechtliche Lage bleibt unklar und trotzdem zeigen Spintime, Stadt kann auch anders gedacht werden, von unten, solidarisch, kollektiv. Genau diese Idee hat Spintime Labs an die Biennale in Venedig gebracht. Das Projekt wirkt im österreichischen Pavillon vorgestellt, Architekten aus der Bewegung des sozialen Wohnbaus, der in Wien sehr stark ist, haben ein gemeinsames Buch mit Spintime Labs erstellt. Eine Bewegung, die nicht von der Stadt gefördert wird, sondern von der Basis von unten entsteht.
Für Julia Focca kommt dieses Projekt auch von innen. Es ist ihr Alltag. Zusammen mit ihrem Partner und ihrem Sohn lebt sie in der Nebenstrasse vom Gebäude vom Spin Time Labs. An etwa 70 Orten in Rom leben rund 10 '000 Menschen in besetzten Häusern. Viele von ihnen kommen aus sehr schwierigen Situationen. Heimat - und Obdachlose, Geflüchtete, Gestrandete. Mich hätte auch interessiert, wie sich die Leute intern organisieren, wie sie miteinander verhandeln, wer bestimmt was. Aber dazu hat die Zeit nicht mehr gereicht. Die Türen von Spin Time Labs sind jedoch offen für alle, die sich für dieses soziale Labor interessieren.
Spintimelabs ist kein fertiges Modell, aber ein konkretes Beispiel dafür, wie Menschen in schwieriger Lage Wohnraum, Gemeinschaft und Unterstützung selbst organisieren. Das Projekt wirft Fragen auf, die uns alle in Europa beschäftigen. Wie wollen wir mit Leerstand von teurem Wohnraum umgehen? Wie mit Menschen, die durch die bestehende Systeme fallen? Spintime labs ist keine perfekte Lösung, vielleicht auch keine Utopie, aber es ist ein funktionierender Anfang. Und das ist doch sicher eine Lichtspur.
Das war Tracers of Light. Ein Podcast von Elsbert Horbati, die auf der Suche nach Menschen und Gemeinschaften ist, welche in diesen schwierigen Zeiten Mut machen.